Was ist IHHT?
„IHHT“ steht für Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Therapie bzw. -Training. Es geht dabei um ein Training, bei der dem Anwender in Intervallen mehr Sauerstoff als in der Atemluft, auch genannt Hyperoxie, und dann weniger Sauerstoff als in der Atemluft, bekannt als Hypoxie, gegeben wird. Die Sauerstoffgehalt der Atemluft beträgt etwa 21 Prozent, davon ausgehend wird dann eine untere und obere Grenze festgelegt. Aber wie kommt diese Art der Therapie überhaupt zustande und welche beschriebenen Effekte von besserem Wohlbefinden bis hin zu mehr Energie können Anwender und Therapeuten erwarten?
Inhalt
Lange galt Hypoxie als ungesund, ja sogar als gefährlich. Schon eine kurze Unterversorgung mit Sauerstoff wird in der Schulmedizin vermieden, denn Sauerstoff stellt eine Grundlage für den Energiestoffwechsel der Zellen dar – besonders des Gehirns.
Eine starke, akute Hypoxie wird als so gefährlich angesehen, weil besonders Nervenzellen Sauerstoff zum Überleben benötigen und schon nach 10 Minuten irreversible Schäden auftreten können – aufgrund eines Ungleichgewichts der Elektronen der Zellmembranen sowie der mitochondrialen Membranen.
Heute noch ist die Sauerstoffsättigung im Blut in der Intensivmedizin ein wichtiger Anhaltspunkt für die Therapie.
Weg von der Situation der akuten Lebensgefahr gibt es jedoch gerade im Leistungssport einige Bereiche, in denen Sauerstoffmangel schon lange angewendet wird.
Als Beispiel ist das klassische Höhentraining zu nennen. Sportler nutzen den geringeren prozentualen Sauerstoffanteil der Bergluft vor Wettkämpfen aus, um während des Wettkampfs leistungsfähiger zu sein. Die Grundlage des Höhentrainings in den Bergen: Unter Hypoxie besteht im Körper der sogenannte hypoxie-induzierbare-Faktor-1-alpha (HIF-1⍺) vermehrt. Dieser wiederum aktiviert unter anderem Erythropoetin (EPO), ein Protein, das die Bildung von roten Blutkörperchen nach dem Training fördert. Da diese dafür verantwortlich sind, Sauerstoff im Blut zum Gewebe zu transportieren, führt das erhöhte Angebot an Transporteinheiten zur besseren Sauerstoffversorgung – besonders dann, wenn der Sportler sich wieder in Nähe des Meeresspiegels bei „normaler“ Luft befindet.
Weiterhin konnte gezeigt werden, dass intermittierende, moderate Hypoxie sich im Gegensatz zur akuten, lebensbedrohlichen Hypoxie sogar positiv auf Nervenzellen auswirken kann. Die intermittierende Form, wie sie heutzutage angewendet wird, zeigt sich nämlich als schützend für das Membrangleichgewicht und elektrische Potenzial der Zellen, wie eine Arbeit von 2013 zeigen konnte* – genau das, was so essenziell für die Funktion und das Überleben der Nervenzellen ist.
Nichtsdestotrotz gilt weiterhin, dass langfristige Hypoxie bestmöglich vermieden werden sollte. Mit klassischen Anwendungen wie dem Höhentraining kann das nicht unbedingt gewährleistet werden – das Reisen in hohe Höhen ist außerdem mit großem Aufwand verbunden. Die IHHT soll daher eine sichere und einfachere Möglichkeit bieten, die Vorteile der Hypoxie auszunutzen – wie das gehen soll?
Die Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Therapie läuft im Gegensatz zum Höhentraining ohne größere körperliche Anstrengung ab. Der Patient liegt typischerweise auf einer Liege oder sitzt in einem Ruhesessel und atmet die entsprechende Luft mit sich veränderndem Sauerstoffanteil über eine Maske ein. Gleichzeitig werden wichtige Vitalparameter wie die Herzfrequenz und die Sauerstoffsättigung aufgezeichnet, um eine sichere Anwendung zu gewährleisten. Wiederkehrende Intervalle mit einigen Minuten Hypoxie gefolgt von ausgleichenden Phasen der Hyperoxie machen die Behandlung im Wesentlichen aus. Sollten dabei starke Sättigungsabfälle beobachtet werden, wird die Hypoxie beendet und die regenerative Phase der Hyperoxie begonnen. Insgesamt wird eine Therapiedauer von etwa 30-50 Minuten angestrebt – je nach Zustand des Patienten. Weiterhin können auch die Stärke und die Dauer der Phasen und der jeweiligen Sitzung dem Patienten und seiner aktuellen Fitness angepasst werden.
Die IHHT ist also ein sehr variables und individualisierteres Zelltraining, das auf den mittlerweile ziemlich gut erforschten Effekten der Hypoxie beruht – welche das sind?
IHHT ist auch als Zelltraining oder Mitochondrientraining bekannt und wird besonders bei Personen angewendet, die Abweichungen im Bereich der Mitochondriengesundheit aufweisen, beispielsweise Personen mit Chronischer Fatigue, Mitochondriopathie oder aber anderen Störungen des Zellstoffwechsels, besonders der Mitochondrien. Auch Personen, die am sogenannten metabolischen Syndrom, Prädiabetes oder aber Diabetes Typ 2 leiden, gehören zur Patientengruppe, denn auch hier liegen starke Abweichungen des mitochondrialen und generellen Stoffwechsels vor. Mitochondrien sind übrigens die Kraftwerke der Zellen. Im gesunden Zustand produzieren sie etwa 95 Prozent der Energie, sind also essenziell für den Energiestoffwechsel.
Aber was sagen Studien eigentlich zu den häufig getätigten Aussagen, intermittierendes Hypoxie-Training könne sich positiv auf den Stoffwechsel auswirken?
IHHT und das metabolische Syndrom
Das metabolische Syndrom tritt mittlerweile bei schätzungsweise 40-60 Prozent der erwachsenen Bevölkerung auf. Damit wird es zu einem ernsthaften Problem der heutigen Medizin, denn es trägt maßgeblich zur Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei. Hypertonie, Insulinresistenz, Fettleibigkeit, Diabetes Mellitus und andere Faktoren bilden zusammen das diffuse Bild des metabolischen Syndroms mit seinen typischen Beschwerden eingeschränkte Leistungsfähigkeit, Energiemangel und Müdigkeit. Auch chronischer Stress trägt zur Entwicklung dieser Beschwerden bei.
IHHT kann hier als Intervention genutzt werden, so eine wissenschaftliche Arbeit von 2021 aus der renommierten Zeitschrift „frontiers in Cardiovascular Medicine“. Die randomisierte Studie testete den Einfluss der IHHT auf Blutfettwerte, Marker für Entzündungen sowie Leber- und Herzparameter im Vergleich zu Kontrollpersonen, die Raumluft atmeten. Das Ergebnis: Sowohl das Gesamt-Cholesterin und die Triglyceride als auch die gewählten Entzündungsmarker, die Leber- und einen der Herzparameter hatten sich im Vergleich zur Kontrolle nach dem dreiwöchigen Sauerstofftraining gebessert.
Und das ist nicht die einzige Studie, die solche Ergebnisse zeigen konnte. Auch ein Paper von 2022 konnte zeigen, dass sich unter IHHT Leberparameter verbesserten – außerdem konnten auch der Blutdruck reduziert und die Gefäßsteifheit leicht verbessert werden. Die Autoren gingen soweit zu schreiben, dass IHHT „eine wirksame adjuvante Therapie bei der Behandlung und Sekundärprävention von Atherosklerose, Adipositas und anderen Komponenten des metabolischen Syndroms sein könnte“3 (übersetzt aus dem Englischen).
Es zeigt sich also, dass IHHT positive Auswirkungen auf verschiedenste Laborwerte und Erkrankungen haben kann und besonders in der Sekundärprävention von chronischen Erkrankungen ein wichtige Methode darstellen könnte. Sowohl Entzündungsparameter als auch Parameter für Herz- und Leberfunktionen sowie die wichtigen Blutfettwerte, die auch über Gefäßgesundheit Auskunft geben, konnten in obigen Studien beeinflusst werden. Aber wie beantwortet das die Frage, wieso IHHT oftmals als Mitochondrientherapie bezeichnet wird?
Die Messung der mitochondrialen Funktion des Menschen gestaltet sich an Menschen oftmals schwierig, besonders wenn es ums Detail geht. Man behilft sich dabei häufig mit der Messung freier Radikale und Enzyme, die diesen Radikalstress reduzieren sollen. Außerdem können Parameter wie das intrazelluläre ATP, der BHI (bioenergetischer Gesundheitsindex) oder auch die Laktat-Pyruvat-Ratio dabei helfen, die Funktion der Mitochondrien auf Zellebene beurteilen zu können. Um aber genau zu verstehen, mit welchen Mechanismen IHHT auf diese Stoffwechselprozesse hat, blicken wir zuerst auf in-vivo Studien mit Tieren.
Der Effekt in diesen Studien: Das Training konnte die oxidative Phosphorylierung der Mitochondrien aktivieren und in der Effizienz verbessern 4,5. Diese wird auch Atmungskette
genannt und leistet den größten Beitrag zur Energieversorgung – gleichzeitig ist es auch der Teil, der zwingend gesunde Mitochondrien erfordert.
Kurzum kommen Studien also zu dem Ergebnis, dass IHT und IHHT die mitochondriale Energiegewinnung erhöhen und in der Effizienz verbessern konnte, das Energielevel so potenziell gesteigert werden kann und damit gesunde Mitochondrien potenziell gestärkt und geschützt werden können. So soll auch die allgemeine Leistungsfähigkeit und Vitalität verbessert werden – ohne große Anstrengung des Patienten.
Der Sinn der IHHT besteht außerdem darin, dass Mitochondrien, die nicht „gesund“ sind, die also beispielsweise kein ordentliches Membranpotenzial aufweisen (aufgrund eines Protonenlecks oder Calciumüberschuss), diese Therapie nicht überstehen und die Zelle die schwindende Ressource Sauerstoff an jene Mitochondrien verteilt, die es nutzen können. Es zeigt sich in-vitro sogar, dass die IHHT im Gegensatz zur akuten Hypoxie protektiv auf das Membranpotenzial wirkt, also der „Entladung“ gegenwirkt. Dies wurde in diesem Beispiel an Neuronen (Nervenzellen) getestet1.
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1Serebrovskaya, T. V., Nosar, V. I., Bratus, L. V., Gavenauskas, B. L., & Mankovska, I. M. (2013). Tissue oxygenation and mitochondrial respiration under different modes of intermittent hypoxia. High altitude medicine & biology, 14(3), 280–288. https://doi.org/10.1089/ham.2013.1012
2Afina, A. B., Oleg, S. G., Alexander, A. B., Ines, D., Alexander Yu, S., Nikita, V. V., Denis, S. T., Daria, G. G., Zhang, Y., Chavdar, S. P., Dmitriy, V. G., Elena, A. S., Irina, V. K., & Philippe Yu, K. (2021). The Effects of Intermittent Hypoxic-Hyperoxic Exposures on Lipid Profile and Inflammation in Patients With Metabolic Syndrome. Frontiers in cardiovascular medicine, 8, 700826. https://doi.org/10.3389/fcvm.2021.700826
3Bestavashvili, A., Glazachev, O., Bestavashvili, A., Suvorov, A., Zhang, Y., Zhang, X., Rozhkov, A., Kuznetsova, N., Pavlov, C., Glushenkov, D., & Kopylov, P. (2022). Intermittent Hypoxic-Hyperoxic Exposures Effects in Patients with Metabolic Syndrome: Correction of Cardiovascular and Metabolic Profile. Biomedicines, 10(3), 566. https://doi.org/10.3390/biomedicines10030566
4Kurhaluk, N., Tkachenko, H., & Nosar, V. (2013). The effects of intermittent hypoxia training on mitochondrial oxygen consumption in rats exposed to skeletal unloading. Annals of clinical and laboratory science, 43(1), 54–63.
5Serebrovskaya, T. V., Nosar, V. I., Bratus, L. V., Gavenauskas, B. L., & Mankovska, I. M. (2013). Tissue oxygenation and mitochondrial respiration under different modes of intermittent hypoxia. High altitude medicine & biology, 14(3), 280–288. https://doi.org/10.1089/ham.2013.1012